Transalp 1997

 Mit dem Mountainbike über die Alpen

Bachdurchquerung

Eines der letzten Abenteuer unserer Zeit- und zugleich eines der Anspruchvollsten.

Hinweis: Beim Anklicken der Fotos können diese größer betrachtet werden.


Strecke

Karte
Karte

 


Höhendiagramm

In der letzten Augustwoche des Jahres 1997 bezwang ich mit 3 anderen Mountainbikern in 6 Tagen die Alpen. Gemeinsam mit Timo und Dieter aus dem Raum Heidelberg und Dirk aus Stuttgart ging es durch die grandiose Landschaft der Dolomiten, über alte Militärstraßen, vorbei an Stellungen des ersten Weltkrieges über 6 Pässe bis nach Italien.


Vorbereitungen:

Begonnen hatte alles 3 Monate zuvor mit einem Inserat in einer Mountainbike Zeitschrift. Bald darauf trafen wir uns in Stuttgart zu einer Probefahrt. Die Planung zu einer Radtour der besonderen Art konnte beginnen: Mit Mountainbikes auf Schotterpisten und Trails über die Alpen. Die Voraussetzungen und Anforderungen waren klar abgesteckt: Ein erstklassiges und Robustes Mountainbike, mehrjährige Fahrpraxis auch in schwierigstem Gelände und eine gute Kondition. So wurden in der Trainingsphase (begonnen zu Beginn des Jahres) bis zu 3000 km gefahren, um für diese Tour gewappnet zu sein.


Erster Tag

Nach einer Anreise mit dem Auto begann am Sa dem 23.8 in Mittenwald die Alpenüberquerung. Ausgerüstet mit ca. 6 kg Gepäck pro Person, verstaut im Rucksack sollte ging es los. Zunächst auf Straßen und Radwegen bis ins Engtal, dann folgte nach kurzer Rast der anstrengende Aufsieg zum Plumsjoch. Nach über einer Stunde bemerkten Der falsche Wegwir, daß wir aufgrund schlechten Kartenmaterials leider den Aufstieg auf der falschen Talseite begonnen hatten. Jedoch war klar: ein Zurück gibt es nicht. Also bissen wir in den sauren Apfel und versuchten den weiteren Aufstieg auf den zusehends schlechter werdenden Weg. Nach einem zweistündigen Kampf gegen den Berg hatten wir es endlich geschafft...die Jausenstation am Plunsjoch war erreicht. Nach einer kurzen Rast folgte die Rasante und anspruchsvolle Abfahrt über die sehr steile und z.T. mit sehr lockerem Geröll bedeckte Versorgungsstraße der Alm. Dieser Weg war so steil und unwegsam (nicht für uns), daß ein Versorungsjeep nur mit Allradantrieb und Schneeketten an allen vier Rädern die Auffahrt bewältigen konnte. Hier erlebten wir auch unsere Feuertaufe: von 4 Bikern konnten es 3 nicht lassen, das feine Geröll genauer zu untersuchen. Zum Glück ging dies mit leichten Blessuren vonstatten. Danach erreichten wir den Achensee und gelangten schließlich über Straßen bis ins Zillertal. Zum guten Abschluß legte Dieter noch einen Gewaltritt mit 35 km/h Schnitt über 15 km durchs Zillertal bis Zell am Ziller hin...wir hatten Mühe in seinem Windschatten zu bleiben. Nach über 6 Stunden Fahrzeit und ca. 100 km Strecke haben wir unser erstes Tagesziel erreicht.


Zweiter Tag

Die drei Extreme der Tour bewältigten wir bereits an den ersten drei Tagen: Die längste Strecke, dann die meisten Höhenmeter und zu guter Letzt der höchste Punkt der Überquerung. Am zweiten Tag ging es über MayrhofenAufstieg bei Regen hinauf zum Schlegeisspeichersee. Leider war an diesem Tag das Wetter ausgesprochen unfreundlich, so daß der zweistündige Anstieg zum Pfitscher Joch über einen zum großen Teil nicht fahrbaren Wanderweg bei Regen stattfinden mußte. Im Nebel wurde die Grenze nach Italien überquertAbfahrt vom Pfitscher Joch und dann das Pfitscherjochhaus erreicht und wir konnten sich erst einmal aufwärmen und stärken. Zum Glück verzogen sich die Nebelwolken und der Blick wurde frei auf den 3510 m hohen Hochfeiler, einen Gletscher und zurück zum Schlegeisspeicher. Die folgende Abfahrt auf einem gut ausgebauten Schotterweg bis nach St. Jakob war der reinste Genuß nach diesem sehr beschwerlichen Aufstieg. Geschwindigkeiten bis 60 km/h auf Schotter, Drifts in den Kurven und zahlreiche Sprünge über Bodenwellen und Wasserrinnen machten diese Abfahrt zu einer wahren Freude. Insgesamt wurden an diesem Tag fast 2000 Höhenmeter bewältigt. In der Alberge „Hochfeiler" wurden von uns Unmengen von Pizza und Nudeln vertilgt, um die verbrauchten Kalorien wieder aufzunehmen.


 

 

Dritter Tag

Der Aufstieg zum Pfunderer Joch stand am dritten Tag an. Die zum Teil verfallene und von der Erosion beschädigte 7 km lange Militärstraße führte bis auf ca. 2400 Höhenmeter. Die Einsamkeit dieser Etappe war eines der bedeutesten Erlebnisse dieser Tour.Vorbei an weidenden Kühen und Murmeltieren, überquerten wir einen Gebirgsbach an einer verfallenen Brücke. Ein schmaler Trampelpfad führte letztendlich zum 2568 m hohen Pfunderer Joch. Danach ging es über Sand, Geröll und einigen Schneefeldern auf dem besten Single-Trail der Alpen hinab bis nach Pfunders. Unzählige Spitzkehren, Wurzeln aber auch Anlieger in langgezogenen Kurven brachten dieser Abfahrt ihren Ruf ein...zurecht. Später erreichten wir dann das Pustertal. In St. Lorenzen wurde dann ein Nachtquartier gesucht.

 

Blick aufs Schlüsseljoch

Überquerung an alter Brücke

Der beste Downhill der Alpen


Vierter Tag

Der absolute Höhepunkt der Tour war zweifelsfrei der Nationalpark Fanes, der wohl ohne zu übertreiben als der Grand Canyon Europas bezeichnet werden kann. Riesige Felsmassive, die sich fast senkrecht aus dem Talboden Nationalpark Faneserheben, bilden eine gigantische Kulisse für den Aufstieg zur Faneshütte. Auf einer Schotterpiste sehr steil hinauf, bis in eine Gletscherwanne der letzten Eiszeit. Malerisch liegen ein kleiner See und eine kuhbeweidete Alm zwischen den nackten Felsen der Dolomiten. Nach einem kurzen Regenguß und dem Bezug des Quartiers ging es ohne Gepäck nochmals auf Entdeckungstour rund um die Faneshütte und dem Passo di Limo.


Fünfter Tag

Am fünften Tag ging es dann über diese Paßhöhe hinab ins Ampezzotal. Ein Spitzendownhill über Fels und Geröll der Forststraße, über schmale Holzbrücken und Schluchten führen uns bis kurz vor Cortina d’Ampezzo. Auf einer Straße über den Passo Cimabanche und danach auf einer Militärstraße wieder hinauf zur 2000 m hoch gelegenen PlätzwieseDürrensteinhütte. Überwältigend und zugleich bedrückend erhebt sich ein gewaltiges Sperrfort aus dem Ersten Weltkrieg über die Plätzwiese. Überall sind Überreste von Befestigungsanlagen und Gebäuden zu entdecken, lange Tunnel und Kavernen sind in den Fels gesprengt. Nach dem Bezug des Matratzenlagers ging es dann noch hinauf zum 2308 m hohen Strudelköpfe. Der überwältigende Blick über die gesamten Dolomiten und die Drei Zinnen in der Abendsonne ist ein vergeßliches Erlebnis.


Sechster Tag

Abfahrt durchs FischleintalDas Ziel der Tour rückte näher: Am letzten Tag wurden die Drei Zinnen erreicht. Über eine Fahrstraße ging es zunächst hinauf zum Misurinasee und dann zur Auronzohütte. Leider waren die Drei Zinnen aufgrund des starken Nebels nur sehr kurz und teilweise zu sehen. Auf dem Paternsattel war der letzte Paß bezwungen. Glücklich, die Strapazen der Tour und die Alpen überwunden zu haben, ging es vorbei an der Dreizinnenhütte. Nach einem Kettenriß und der Reparatur ging es durch das Fischleintal in einer sehr anspruchsvollen und schwierigen Abfahrt über Sexten nach Innichen.

 


Siebenter Tag

Die Heimreise mit dem Zug verlief erstaunlicherweise reibungslos und preisgünstig. Als Bilanz der Tour wurden über 350 km und ca. 8800 Höhenmeter überwunden. Die Pannen waren glücklicherweise auf einen Platten und einen Kettenriß beschränkt, wir erreichten trotz einiger Stürze unverletzt das Ziel. Das war nur aufgrund genauer Planung, erstklassigem Materials und langjähriger Erfahrungen mit dem Mountainbike möglich. Für alle steht schon heute fest: Nächstes Jahr geht es auf einer anderen Route wieder entlang der Spuren des Ersten Weltkrieges über die Alpen zur Transalp’98.

 

Text: Carsten Schymik

Fotos: Timo Rokitta