2. ETAPPE
Sion-Cabane de Chanrion
Sonntag früh kurz vor 8.00 Uhr. Wir ziehen die immer noch feuchten Klamotten wieder an. Auch die Schuhe sind noch derart durchnässt, als hätten sie die ganze Nacht über in einer gefüllten Badewanne gestanden. Wenigstens scheint sich die Wetterlage zu bessern. Blauer Himmel und Sonnenschein im Tal, einige Wolken umhüllen die Berge um uns herum. Wir wollen uns via Postbus die 1200 Höhenmeter auf der Straße nach Haute Nedenz ersparen. Es wird kurz hektisch, der Busbahnhof muss erreicht werden, der Bus fährt um 8.06 Uhr. Zum Glück ist der Postbus mit einem Radständer am Heck ausgestattet und die Fahrt nach oben kann beginnen.
Wir nutzen zudem einige unbesetzte Sitze im Bus, um einen Teil unserer immer noch durchnässten Kleidungstücke zu trocknen. In Haute Nendez angekommen, genießen wir den Sonnenschein und nehmen einen kurzen Service an den Bikes vor. Die Fahrerei im Schneematsch und bei dem Regen gestern hat ihren Tribut gefordert. Die neuen Bremsbeläge sind völlig runter, die Kette ist völlig entölt und auch die Federelemente wollen einen Spitzer aus der Brunox-Dose sehen. Dann geht es weiter. Bis zur Mittelstation könnte man hier den Forstweg nutzen, aber da wir schon mal am shutteln sind nehmen wir den Sessellift. Wir müssen die Bikes abstellen und einsteigen. Danach werden die Bikes einzeln vom Liftpersonal eingeladen…hoffentlich. An der Mittelstation kommen dann nach und nach alle Bikes wohlbehalten oben an und wir machen uns auf zur großen Gondel auf den Col des Géntianes. Hier bleibt uns mangels Weg nach oben wirklich nur die Gondel. Inzwischen ist es kurz vor 11.00 Uhr. Wir haben über 2000 Höhenmeter absolviert und nicht wirklich etwas dafür getan. Wer von uns hätte sich so etwas vor 3 Jahren träumen lassen? Nun geht es wieder runter bis zur Cabane du Mont Fort. Leider befinden wir uns im Skigebiet von Verbier und daher gezwungen auf eine Trailabfahrt verzichten. Stattdessen müssen wir mit einer unspektakulären Schotterpiste Vorlieb nehmen. Schon bald können wir aber unseren weiteren Weg erkennen, ein schmaler Trail führt zunächst am Hang entlang. Wir biegen in einer Schotterkehre in den Trail ein. Nach wenigen Metern müssen wir jedoch von den Bikes steigen, da der Weg steil nach oben führt. Eigentlich wäre dies hier ein prima Panoramaweg mit atemberaubenden Blicken auf das Massiv des gegenüber liegenden Grand Combin. Doch heute ist dieser von Wolken umhüllt. Auch zu uns ziehen jetzt immer wieder Nebelschwaden herauf. Der Weg ist beschwerlich, nur kurze Passagen können fahrend bewältigt werden, immer wieder müssen Geröllfelder auf wackeligen und heute aufgrund der Nässe auch rutschigen Steinen gequert werden. Kurz vor einer Anhöhe geht es in steilen Serpentinen aufwärts, wir tragen die Bikes. Oben angekommen scheint zum Glück wieder die Sonne. Über uns auf den Felsen sehen wir einige Steinböcke und tief unter uns schimmert das Wasser eines Sees. Nach dem Anlegen der Protektoren geht es hinab ins Val de Bangnes. Schon wieder stehen wir im Nebel und verpassen fast den Abzweig in den Trail, den wir von oben soeben noch deutlich gesehen hatten. Leider ist der Abfahrtspaß bereits nach wenigen Metern vorbei. Statt auf einem flowigem Trail finden wir uns in einem Labyrinth von Felsen wieder. Wir müssen Geröllfelder queren, an Fahren ist meist nicht zu denken.
Erst nach einigen beschwerlichen Minuten und teils gefährlicher Kletterei ist das Hindernis überwunden und der Trail beginnt. Enge Kehren verlangen das Versetzen des Hinterrades, der Nebel erlaubt uns die Sicht auf 20, vielleicht 30 Meter Weg vor uns, alles ist nass und rutschig. Die Szenerie ist gespenstisch. In einer Linkskehre verschätze ich mich und kippe aus dem Trail. Auf dem Hosenboden geht es auf der nassen Wiese abwärts, ich rutsche 5 Meter, versuche die Hacken den Bergstiefel in die Wiese zu schlagen, 8 Meter, Felsen rechts und links, 10 Meter, langsam reduziert sich meine Rutschgeschwindigkeit, 12 Meter, ich komme zum Stehen. Glück gehabt. Wer weiß was mich weiter unten im Nebel erwartet hätte? Lachend und mit nassem Hosenboden klettere ich die steile Wiese wieder nach oben. Fortan ist der Trail klasse, auch der Nebel lässt ab und zu einen Blick auf das Geltschermassiv des Grand Combin zu. Wir erreichen die Baumgrenze und fahren in engen Serpentinen hinab ins Tal. Durch den Wald führt ein wahrhafter Traumpfad, der fahrtechnische Anspruch ist hoch. Es geht über Felsen, Wurzeln und einige Holztreppen hinab.
Inzwischen scheint die Sonne und es wird warm. Schließlich erreichen wir die Straße unten im Tal. In der ersten Ortschaft finden wir einen Brunnen und so können wir die bis auf den letzten Tropfen lehr getrunkenen Wasserflaschen füllen. In Fionnay kehren wir ein und stärken uns mit einer Portion Spagetti Carbonara. Wir versuchen mehrfach auf der Cabane de Charnrion anzurufen, vergeblich. Andauernd belegt. Wenigstens scheint jetzt die Sonne und wir dekorieren einen Felsen neben der Wirtschaft mit nassen Socken, Bergstiefeln und Radlerhosen. Danach geht es weiter auf der Straße hinauf nach Mauvoisin. An der Staumauer angekommen werden die Schatten bereits länger und das westliche Seeufer liegt bereits im Dunkeln. Kurz überlegen wir auf der Sonnenseite nach oben zu fahren, aber angesichts der knappen Zeit und der unklaren Wegbeschaffenheit verwerfen wir den Gedanken schnell wieder. Der weitere Weg nach oben ist einzigartig. In engen feuchten Tunnels und in offenen Galerien geht es am Seeufer entlang. Wasserfälle schießen über uns hinweg, es rauscht und brummt gewaltig. Nach knapp 200 Höhenmetern Anstieg im Fels verlassen wir die Unterwelt. Der Weg führt wieder abwärts zum Südende des Sees und fortan in Schotterserpentinen aufwärts in Richtung Fenetre Durand. Die letzten 200 Höhenmeter hinauf zur Hütte legen wir auf dem Wanderweg zurück, tragend und schiebend. Leider hatten wir bei der Planung nicht erkennen können welche der drei roten Linien auf der Wanderkarte der fahrbare Wirtschaftsweg gewesen wäre. Ein Blick auf die Karte vor Ort hätte die Situation sicher geklärt.
Aber was soll´s, es ist kurz vor 21.00 Uhr und darauf kommt es nun wirklich nicht mehr an. Schließlich erreichen wir die Cabane du de Charnrion. Der Hüttenwirt ist alles Andere als amüsiert über unser spätes Erscheinen. Widerwillig trägt er uns in sein Hüttenbuch ein. Unsere Frage nach etwas zu Essen wird mit einem barschen „no!“ beantwortet. Na Klasse, dreizehn Stunden unterwegs und ohne Abendessen ins Bett. Ich kaufe ein paar Dosen Bier und Roland packt seinen letzten Landjäger aus. Eine Wurst für 4 hungrige Biker. Ich starte noch mal einen Versuch und frage eines der Mädels hinter der Theke nach ein paar Scheiben Brot und etwas Käse. Der Hüttenwirt im Hintergrund brummelt vor sich hin, als mir dieses magere Mahl ausgehändigt wird. Wir essen und bald darauf verschwinden wir im völlig überfüllten Matratzenlager der Hütte. Frühstück soll es bereits ab 5.00 Uhr geben. OK, die sieben Stunden halten wir durch…
Alle Fotos von Tag 2
Fazit:
Panoramaetappe ohne Panorama, lange Schiebepassage und tolle Abfahrt. Mit Bus und Bahn haben wir uns etliche Höhenmeter auf Teer erspart. Unsere Versorgungslage mit Nahrung ist heute etwas spärlich ausgefallen. Der Hüttenwirt auf der Cabane de Charnrion ist der Abschuss…
Man sollte trotz Track im GPS Gerät unterwegs noch mal in die Karte schauen und den optimalen Weg suchen. Vorort kann die Lage ganz anders erscheinen als daheim am Computer.
Übernachtung:
Besser:
Route:
Sion
Super Nendaz
Col des Genitanes
Cab. Du Mont Fort
Val de Bagnes
Fionnay
Lac de Moivoisin
Cabane de Chanrion