Eher zufällig bin ich bei Facebook über ein Posting vom Valposchiavo Tourismus gestoßen. Mountainbiker werden aufgerufen, bei der Pflege der Trails zu helfen und bekommen dafür Kost&Logis gestellt. Und natürlich soll auch das Mountainbiken bei der TrailCare-Woche nicht zu kurz kommen: Nachmittags ist jeweils eine Tour angesagt. Selbstverständlich mit Local Guide und Shuttleservice. Ehrlich gesagt, ich habe nicht gezögert, auch nicht drüber nachgedacht sondern sofort einen Platz bei der Veranstaltung reserviert.
Ein paar Tage später hatte ich die Zusage und konnte mich um die restlichen Dinge kümmern: Urlaubsantrag im Büro sowie die zusätzliche Buchung für meine Partnerin. Und ein paar Wochen später starten wir zu unserer Reise über die Berge. Durch Rheintal geht’s über Thussis, dann nach Savognin über den Julierpass nach St. Moritz und schlussendlich über den Berninapass an den Lago Poschiavo.
Wir checken im Hotel La Romantica in La Prese ein. Bald darauf versammeln wir uns zur Begrüßung. Die Idee, welche Form von Tourismus im Val Poschiavo betrieben werden soll überzeugt mich sofort: Man will kein zweites Sölden und schon gar nicht das nächste Bike Kingdom werden. Dagegen möchte man erhalten und reparieren was eh schon da ist. Dabei geht es um alte historische Wege in den Bergen und den Wäldern an den Hängen rechts und links des Tals.
Die Almen oben am Berg erreicht man heutzutage auf gut ausgebauten Forststraßen, alte Steige und Transportwege werden dagegen nur noch selten genutzt und verfallen langsam. Wertvolles Kulturgut droht hierbei verloren zu gehen. Der alte Handelsweg zum Bernianpass verlief früher auch einmal oben auf der Höhe und stammt noch aus einer Zeit, als der Talgrund noch komplett unzugänglich war. Heute verlaufen dort unten eine Straße und die weltbekannte Trasse des Bernina-Express. Ich bin gespannt welche Trailschätze wir in den nächsten Tagen aus dem Dornröschenschlaf erwecken dürfen…
Beim lecken Abendessen kommen wir schnell ins Gespräch mit den anderen Teilnehmern der Trailcare-Woche. Nach anfänglichem babylonischen Sprachgewirr einigt man sich tischweise auf eine gemeinsame Sprache. Bei uns ist der kleinste gemeinsame Nenner Englisch, da die Tischnachbarn aus Deutschland und Italien stammen. Am Nebentisch wird Schwyzerdütsch gesprochen und die Locals unterhalten sich im eigenen Dialekt. Insgesamt sind 5 Nationalitäten mit 8 Dialekten vertreten. Es wird also spannend…
Am nächsten Morgen heißt es früh aufstehen. Der Wecker klingelt um 6:00 Uhr, Frühstück gibt’s ab halb sieben und um kurz nach sieben stehen wir in Arbeitskleidung vor dem Hotel, wo uns ein Kleinbus abholt um uns zum heutigen Einsatzort zu bringen. Das Werkzeug befindet sich bereits oben am Berg. Nach einer Auffahrt auf einer mit zahlreichen engen Serpentinen gebauten Forststraße und einem zwanzigminütigen Fußmarsch erreichen wir kurz nach acht unsere erste Baustelle. Es ist kühl heute Morgen und der Himmel ist bewölkt und für Nachmittags ist dann auch noch regen angesagt.
Wir beginnen mit der Arbeit. Von jeder Alm hier oben am Berg führt ein steiler Hohlweg ins Tal. Früher wurde darauf Heu und Holz transportiert. Mit der Motorsäge wird professionell ein toter Baum beseitigt, während der Rest der Gruppe mit Rechen und Schaufeln Laub, Äste und Steine beseitigt und Wegeschäden beseitigt. An einer Stelle rinnt Wasser über den Weg und hat diesen in ein riesiges Schlammloch verwandelt. Schnell wird eine Entwässerungsrinne gegraben und mit Steinen befestigt. Das Wasser läuft jetzt ab und in wenigen Tagen wird der alte Weg an dieser Stelle abgetrocknet sein.
Wir arbeiten uns langsam nach unten. Während der Frühstückspause beginnt es leicht zu regnen. Dann geht es weiter und schließlich erreichen wir gegen Mittag das Pfadfinderheim. Dort glüht bereits der Grill und ein großer Topf Polenta wartet darauf, von uns hungrigen Trailpflegern geleert zu werden. Nach dem Essen reinigen wir noch das Arbeitsgerät und dann holt uns schon der Kleinbus ab. Wir werden zurück ins Hotel gebracht, wo wir uns umziehen und unsere Mountainbikes klar machen können.
Jetzt geht es mit dem Bernina-Express hinauf nach Cavaglia. Die historische Bahnstrecke windet sich in einzigartiger Art und Weise in Bögen und durch Tunnels den Berg hinauf. Zu Recht gehört diese Bahnstrecke zum UNESCO Weltkulturerbe. Oben angekommen erwartet uns scheußliches Regenwetter und klirrende Kälte. Zwischen den Regentropfen sind sogar einige Schneeflocken zu erkennen.
Wir starten schnell und versuchen so bald wie möglich den ersten Gegenanstieg auf dem Panoramweg zu erreichen, damit uns wieder warm wird. Trotz der widrigen Bedingungen könne wir die Trails gut befahren und erreichen irgendwann unsere Baustelle von heute Morgen. Ab jetzt geht es steil bergab.
Der rutschige Untergrund und sogar einige Schneefelder verlangen uns einiges an fahrtechnischem Können ab. Dennoch kommen wir alle gut und mit einem dicken Grinsen im Gesicht unten an. Wir fahren bei Regen und Gegenwind zurück nach La Prese und freuen uns heute ganz besonders auf eine heiße Dusche.
Das Abendessen war mal wieder erstklassig und wir starten am nächsten Morgen erholt und gut gestärkt zum nächsten Arbeitseinsatz. Wieder geht es mit dem Kleinbus den Berg hinauf. Das Ziel ist dieses Mal die andere Talseite und ab sofort lacht die Sonne! Frischer Neuschnee auf den umliegenden Gipfeln, blauer Himmel und sattes Grün der Wälder ist ab sofort unser willkommener Begleiter. Wir wälzen Steine, schippen Erde und peppen den bestehenden Weg mit einigen Kurven, Wellen und Sprüngen auf. Schnell entsteht aus einem eher unscheinbaren Weg ein echtes Enduro-Highlight.
Nach getaner Arbeit laufen wir ein Stück Richtung Tal zum Treffpunkt. Heute wurden uns unsere Mountainbikes hier her gebracht. Doch vor der Abfahrt gibt es eine Bratwurst am Lagerfeuer und ein erfrischendes Getränk. Nach der Mittagspause kurbeln wir hoch zum zuvor angelegten Trail und wir können es kaum erwarten, das Werk unserer Arbeit ausgiebig zu testen. Wir werden den ganzen Tag von einer professionellen Fotografin begleitet, die uns sowohl beim Arbeiten als auch beim Mountainbiken fotografiert. Nebel, Sonne, der Bergwald und die Truppe bei der Arbeit ist ein Garant für einzigartige Bilder.
Nachdem wir den heute Morgen angelegten Trail ausprobiert haben setzen wir unsere Tour auf dem dichten Netzwerk aus Wegen fort und erreichen schließlich das Ufer des Lago Poschiavo.
Die nächsten Tage verlaufen ähnlich: früh aufstehen, Transport zur Arbeit, Mittagessen auf der Piazza von Poschiavo oder oben am Berg und danach eine Biketour. Wir bekommen noch eine Führung durch zwei historische Gebäude in Poschiavo und eine Schifffahrt auf dem See geboten. Das Ganze wird garniert durch erstklassiges und regionales Essen im Hotel und einer exzellenten Versorgung mit Brotzeit und Getränken oben am Berg.
Am vierten Tag haben wir bereits unser Wochenpensum an Trailpflegearbeit geleistet und so bleibt uns der letzte Tag komplett zum Mountainbiken vorbehalten. Wir kommen nochmals in den Genuss eine der neu angelegten Lines auf einem alten Weg zu befahren und schleißen die Woche erfüllt und ausgeglichen ab.
Ich habe mich im Urlaub selten so gut erholen und entspannen können. Die Begegnung mit den ganzen Leuten, die (Wieder-)entdeckung der historischen Wege und die beeindruckende Landschaft im Valposchiavo waren definitiv eine Reise wert. Und ich werde ganz sicher wieder kommen…
Links:
Hotel La Romantica FACEBOOK INSTAGRAM
Valposchiavo FACEBOOK INSTAGRAM