Was macht ein Jäger, wenn er nach jahrelanger Suche die absolute Beute, das Ziel der Ziele, die größte Trophäe geschossen hat? Die Flinte ins Korn werfen und fortan Schach spielen? Sicher nicht. Uns Trailhuntern geht es zumindest nicht so. Auch wenn wir nicht daran glauben, die Traumtour von gestern jemals toppen zu können, begeben wir uns schon heute wieder auf die Jagt nach neuen Trails, nach Panorama und Naturerlebnis, nach Abenteuer und Spaß.
Wir haben auf einem kleinen Pass übernachtet und die Tour für heute geplant. Gut, der Plan ist nicht von mir, er besteht eigentlich aus einer Wandersendung, die ich vor einigen Wochen, als ich nachmittags krank im Bett lag im Bayrischen Fernsehen gesehen habe. Panoramawege, 2 Pässe, tolles Dolomitenpanorama und vielen kleinen schmalen Wanderwegen bergab. Der perfekte Plan, oder?
Zum Glück hängt hier an jeder Ecke eine Wanderkarte, so dass wir uns den Tourverlauf schnell einprägen können (durch unsere spontane Flucht nach Italien sind wir “etwas” unvorbereitet). Also erst einmal 100 Höhenmeter Schotter hoch, denn 400 m hoch tragen zum Panoramaweg. Dann an der Westflanke der imposanten Berggruppe entlang. Wir steigen also auf. Meist wärmt uns die Morgensonne. Der Boden ist gefroren und an schattigen Stellen liegt etwas Schnee. Der Panoramaweg ist bis auf wenige verblockte Abschnitte erstaunlich gut befahrbar.
Wir passieren eine Hütte und stehen vor einer Wand. Darin krabbeln Leute rum. Aha, unser Weg nach oben, sieht anspruchsvoll aus. Ist es auch. Hier mit Bikes hoch ist kein Kindergeburtstag, das ist ein echtes Experiment! Erschwerend kommt hinzu, dass der Kalkstein speckig abgegriffen und alle Tritte völlig vereist sind. Die andern Leute, die hier unterwegs sind erklären uns für völlig verrückt hier mit den Bikes hoch zu wollen, staunen aber nicht schlecht, als uns dies selbst in den schwersten und ausgesetztesten Passagen gelingt. Eine Frau kurz vor uns ist mit der Situation hier offensichtlich etwas überfordert. Sie trägt einen winzigen Rucksack und beschwert sich bei Ihrem Begleiter, er solle nicht so schnell gehen, schließlich müsse sie das ganze Gepäck tragen. Wir können uns ein Lächeln angesichts 10 kg Video- und Fotoeqipment, 15 kg schweren Bikes und großen Tourenrucksäcken, die wir hier stellenweise nur im Teamwork zur dritt am Stahlseil nach oben schaffen können, nicht verkneifen :-).
Nachdem dieses Steilstück überwunden ist, wird das Gelände wieder flacher. Zahlreiche Wanderer vor uns haben einen passablen Pfad in den Schnee getrampelt und der Aufstieg lässt sich fortan gut bewältigen. Bald darauf verschwindet der Weg in einem engen Kamin, in dem zugeschneite Holztreppen nach oben zum Pass führen. Die letzten 100 Höhenmeter sind beschwerlich und steil, aber ein Kamin hat einen entschiedenen Vorteil: es geht im Gegensatz zu einem Gratweg nur in eine Richtung abwärts.
Dann ist der Pass erreicht, besser gesagt eine kleinen Lücke zwischen den senkrechten Wänden. Platz ist hier keiner für uns, zumal der Schnee hier nun wirklich fast einen halben Meter hoch liegt. Dafür ist der Blick nach Vorne atemberaubend. In dieser 2630 m hohen Scharte hat man die gesamten Dolomiten vor Augen: Sella, Marmolata und rechts die Pala stehen in Reih und Glied und lassen uns staunen.
Und dann erwacht er wieder, der Trauilhunterinstinkt. Der Trail hinab ins Tal sieht vielversprechend aus: kein Klettersteig wie im Aufstieg, kein Tiefschnee wie gestern dafür Spitzkehren und flowige Abschnitte am Hang entlang. Wir legen die Protektoren an uns los geht´s. Ganz oben kämpfen wir noch etwas mit Eis und Schnee, dann überwinden wir unter den staunenden Blicken eines uns entgegen kommenden Pärchens gekonnt im Teamwork eine steile Kletterpassage. Noch ein paar verblockte Spitzkehren, eine steile Felspassage und wir lassen den Schnee und auch den Schatten der hohen Felstürme hinter uns. In der Sonne genießen wir die wärmenden Strahlen und gönnen uns eine kurze Vesperpause.
Fortan geht es auf weiter auf einem am Hang entlang laufenden Panoramaweg. Den ins Tal abzweigenden Singeletrail lassen wir links liegen und wir wenden uns dem nächsten Pass zu. Der Weg dort hin ist bis auf einige nicht nennenswerte Abschnitte komplett fahrbar und fällt leicht. Dann folgt der Aufstieg, auf dem wir nochmals 350 Höhenmeter überwinden müssen. Steile Serpentinen führen hinauf auf den Pass. In dem Nordhang liegen ca. 30 cm Schnee, welcher zum Glück gut fest getreten und somit gut begehbar ist. Entgegen kommende Wanderer berichten uns, dass die Abfahrt auf der Südseite komplett schneefrei ist. Bingo!
Die letzten Meter schlauchen uns denn doch noch, schließlich sind wir auch heute schon wieder seit über sieben Stunden unterwegs. Oben angekommen werden wir schon wieder von stauenden Wanderern fotografiert. Irgendwie ist mir das in diesem Jahr schon öfters passiert :-). Der Anblick, der sich uns jetzt bietet lässt unseren Pulsschlag schon wieder steigen: Der nächste Spitzkehrentrail, sonnenbeschienen und entlang von senkrechten Dolomitentürmen. Volltreffer!
Wir stürzen uns in die Abfahrt, setzen präzise Bremspunkte, lassen die Hinterräder in den Kehren durch die Luft sausen und lassen die Fahrwerke Felsbrocken und Stufen weg schlucken. Adrenalin schießt in unsre Adern, Dopamin belohnt für geglückte Schlüsselstellen. Rausch!
Dann ein Felsentor, der Weg führt direkt hindurch. Stopps zum Filmen und Fotos schießen, dann weiter. Ein Abzweig, ein Gegenanstieg. Dann passieren wir eine Hütte. Sollen wir hier eine Rast einlegen? Nein weiter. Wir wollen doch zum großen Adler, einer Metallskulptur oben am Berg. Fotogen hoch über dem Tal gelegen. Hier müssen wir heute noch vorbei.
Schnell sind wir dort, fangen im Abendlicht noch ein paar tolle Impressionen ein. Leider hat sich inzwischen der Druckpunkt meiner hinteren Bremse wortwörtlich in Luft aufgelöst. Die letzten 500 Höhenmeter mit zahlreichen Spitzkehren muss ich alleine mit der Vorderradbremse bestreiten. Geht schon wenn man will. Leider sind die lehmigen Wege in diesem Hang von den Schnee- und Regenfällen von Vorgestern ziemlich aufgeweicht und wir sauen die Bikes auf den letzten Metern noch kräftig ein.
Unten angekommen gibt´s erst ein mal ein Siegerbier und noch eine ordentliche Portion Nudeln. Danach mache wir uns auf den Heimweg nach Innsbruck. Sechs tolle und lohnende Tage im Trentino und in den Dolomiten gehen zu Ende. Ein würdiger Ersatz für den gecancelten Alpencross.
Fazit: auch wenn der gestrige Tag wohl nicht so schnell zu toppen ist, haben wir heute alleine schon wegen den unglaublichen Panorama nochmals einen unvergesslichen Tag in den Bergen erlebt. Top Trails im schönsten Gebirge der Welt!
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