Es hat die ganze Nacht geregnet. Graue Wolken hängen am Himmel und es ist grausig kalt. Wenigstens ist es jetzt von oben her trocken. Der Plan war eigentlich über über das Mutterjoch nach Tschafein und dann nach Galtür zu fahren. Angesichts der Wetterlage und der anschließenden Etappe durchs Jamtal und über den 2768 m hohen Futschölpass beschließen wir kurzerhand die klassische Abfahrt zum Kopssee zu nehmen. Der parallel zum Schotterweg verlaufende Bergpfad ist wie so oft in Tirol mal wieder mit einem schwarzen Rad im roten Rande versehen…wirklich Schade, dass man auf dieser beliebten Alpencroosroute gezwungen wird, die mühsam erarbeiteten Höhenmeter sinnlos auf Schotter zu vernichten. Zudem kommt man ein Stück unterhalb des Stausees raus und muss daher zusätzlich einen eigentlich überflüssigen Gegenanstieg überwindnen!
Wir erreichen Galtür, inzwischen scheint wieder die Sonne und es wird gleich richtig warm. Nach einem kurzen Einkauf beginnen wir mit der Auffahrt zur Jamtalhütte. Schnell lassen wir den hektischen Trubel und Verkehrslärm im Tal hinter uns und kurbeln in die schöne alpine Gletscherlandschaft hinauf. In der Jamtalhütte gibt es noch eine kleine Stärkung, bevor das lange Schiebestück zum Futschölpass beginnt….
8. Jamtal
…statt Jammertal.
Gältür war definitiv ein Tiefpunkt unserer Tour. Nervige Menschmassen, Busse, eine Autorallye mit stinkenden fehlzündenden alten Kisten….
Nix wie weg und zurück in die einsame Bergwelt. Gletscherblick, Murmeltierpfeiffen, Almkühe und ein rauschender Bergbach. Und selbstverständlich Sonnenschein und bestes Wetter. ?
9. Hütten
Orte der Begegnung. Begegnungen mit Menschen, Menschen die ebenfalls in die Berge gehen. Tolle Menschen. Menschen mit einen erweiterten Horizont, mit einem Blick von oben auf die Dinge, die drüber stehen, die besser sehen, die den Weitblick haben.
Hütten sind Orte der Wärme, der Behaglichkeit, der Sicherheit. Und klar, es gibt etwas zu Essen. Und Essen ist ein wichtiger Bestandteil jeder Reise. Erfahrungsgemäß schmeckt das Essen über 2000 Metern auch viel besser als unten im Tal. Das muss an der Höhe liegen…
Oben angekommen weht ein eisiger Wind. Die Abfahrt beginnt alpin, aber gut fahrbar mit Spitzkehren auf einem wunderschönen Bergpfad.
10. Höhepunkte
Gönne Dir Höhepunkte. So wie wir heute am 2766 m hohen Futschölpass. Nach 25 Jahren Alpencross noch so einen Brüller aus dem Ärmel zu zaubern ist definitiv ein Höhepunkt.
Ein Höhepunkt auch für meine Partnerin Kerstin, die seit über 5 Jahren gemeinsam mit viele Höhen und Tiefen auf dem Mountainbike durchlebt und durchlitten hat. Heute fährt sie souverän durch alpines Gelände und erträgt so manchen harten Aufstieg. Chapeau!
Dann kommen immer wieder verblockte Geröllfelder, die uns oft zum Absteigen zwingen. Ich reiße mir an einer kniffeligen Felspassage den Schaltzug ab. Der neue Schaltzug lässt sich leider hier oben am Berg nicht einfädeln, so dass ich die Reparatur auf heute Abend verschieben muss. Schnell wird ein mittelschwerer Gang fix eingestellt und die Abfahrt auf dem inzwischen wieder gut fahrbaren Singletrail kann weitergehen.
An einer Alm angekommen folgen wir nun ein ganzes Stück dem Forstweg am Bach entlang. Kurz bevor wir die Straße nach Ftan erreichen biegen wir links in einen Panoramaweg ab. Dieser führt zunächt ein Stück bergauf
11. Aufstieg
Wer abfahren will muss auch aufsteigen. Aufstiege sind hart, kosten Körner, lassen den Schweiß nur so rinnem. Aufstiege sind der Preis für unvergessliche Abfahrten und Aufstiege bringen Dich zu Deinen Höhepunkten. Wer jedoch dumpf im Tal sitzen bleibt, die Anstrengung scheut, bequem ist und nicht bereit ist, seine Komfortzone auch mal zu verlassen, der wird niemals ganz oben ankommen und grandiose Erfolge feiern können.
Wir haben einen Grund zum Feiern, wir sind nämlich nach 3 Tagen an unserem Zwischenziel in Scuol angekommen.
6051 Höhenmeter und 162 km.
Nach ein paar Kilometren auf dem Singletrail am Waldrand erreichen wir schließlich Ftan. Ab hier geht’s auf einem geschotterten Weg direkt nach Scuol.
12. Spielen
Mountainbiken ist kein Spiel. Trotzdem können wir verspielt mit dem Singletrail umgehen. Das Hinterrad durch die Kurve fliegen lassen, den Grip der Maxxisreifen im losen Sand zwischen den Stollen spüren und über die Felsen und Steine turnen. Beim Spielen kommt Freude auf, und was bereitet mehr Freude als einen alpinen Singletrail gekonnt und verspielt hinunter zu fahren?
Nach einigen Gegenanstiegen und einer nicht allzu spannenden Abfahrt erreichen wir schließlich das Ziel unserer Reise: Scoul in Engadin.
Hier werden wir die nächsten zwei Nächte bleiben und morgen eine Rundtour unternehmen.
Übernachtung Chasa Valär in Scuol