Ganz runter nach Sölden sind wir ja gestern bewusst nicht gefahren, also bleiben uns heute noch mal 700 Höhenmeter Downhill übrig. Das wir den auf dem Schotterweg durchs Winddachtal runter reißen ist natürlich ausgeschlossen. Ein Blick auf die Wanderkarte genügt, dann ist klar wo´s lang geht: runter bis zur Lochlealm, dann nur nicht den Abzweig in Richtung Stallwiesalm verpassen und nix kann mehr schief gehen. Na ja fast… der Trail geht erst mal bergauf. Dafür aber durch einen wunderschönen Bergwald, der durch das warme Morgenlicht märchenhaft beleuchtet wird. Nach wenigen Höhenmetern ist der Spuk vorbei und ein schneller und flowiger Trail führt uns hinab nach Sölden, und zwar ganz hinab bis zur Ötztaler Ache, so dass wir wirklich keine einzigen Höhenmeter verschenken müssen. Klasse, so sollte jeder Tag beginnen.

Kurz beim Bäcker vorbei schauen, 4 Croissansts, aber von der groben Fettigen, und die hatte heute dummerweise nicht mal Berufschule, egal Futter muss mit auf den Berg. Und jetzt gilt es erst mal wieder 1700 Höhenmeter Auffahrt zu bewältigen. An der Hauptstraße treffen wir noch Fabi, der gerade zu einer Hochtour nach Vent startet, während wir uns auf den Weg in Richtung Rettenbachferner und Pitztaler Jöchl machen. Das Wetter ist traumhaft, so wie man es sich eben wünscht für eine Tour auf die ganz hohen Pässe.

Auf der Gletscherstraße herrscht heute morgen zum Glück quasi kein Verkehr, nur der Linienbus kommt ab und zu vorbei und karrt einiges an buntem Wandervolk auf den Berg. Am Brunnen der Rettenbachalm werden die Trinkflaschen noch mal befüllt, dann geht´s weiter. Bis 2800 Meter über dem Meer hat man hier die Straße den Berg hoch geteert. Schön ist das alles nicht, aber uns hilft´s heute ungemein die vielen Höhenmeter zu bewältigen.

der Weg ist weg

Der E5, der Europäische Fernwanderweg führt hier entlang. Den Abschnitt übers Pitztaler Jöchl 3000m habe ich bereits 2006 schon 2x gemacht, einmal hoch auf dem FRAX und dann zwei Monate später wieder in die entgegen gesetzte Richtung. Aber heute ist alles Anders: Den E5 auf seiner alten Route gibt es nicht mehr, der schmelzende Permafrost hat den ganzen Berg abrutschen lassen. Dort wo man von wenigen Jahren noch bequem vom Geröll auf Eis wechseln konnte, befindet sich nun eine 20 Meter hohe senkrechte Felswand. Steinschlag inklusive, versteht sich. Der Weg ist also weg, ein Schild macht dies auch unmissverständlich klar. Eine Umleitung soll vorbei am Rettenbachferner aufs Rettenbachjoch führen. Sei´s drum, warum eigentlich nicht?

Nach kurzem Suchen haben wir den Weg entdeckt. Auch hier haben die Bagger einen breiten Weg in den Berg gefressen und ermöglichen es uns, nochmals 50 opder 60 Höhenmeter im Sattel sitzend zu absolvieren. Uns kommt eine Gruppe Wanderer entgegen. Kurzer Austausch der Lage, ach so, doch übers Pitztaler Jöchl, ja es gibt einen neuen Weg, der geht jetzt nimmer von Norden her hoch sondern eher südlich, denn auf den kleinen Gletscher und wie gehabt nach oben. OK, Rettenbachjoch ist Skigebiet, betonverbaut und liftverseucht. Pitztaler Jöchl ist oben nicht fahrbar, aber landschaftlich schön. Also bleiben wir auf der geplanten Route und nehmen die zweite Alternative.

Aufstieg

Nach einer stellenweise abenteuerlichen Kletterei über lose Felsbrocken, am Stahlseil entlang hangelnd  und dem kurzen Marsch über das Eis erreichen wir das 2996 m hohe Pitztaler Jöchl. Im Rücken die hässlichen Skianlagen von Sölden, vor uns der Blick auf die atemberaubende Gletscherwelt des Pitztales. Unberührt? Nein,nicht ganz. Inzwischen gibt es unter dem Vorwand “Notabfahrt” eine Straße auf den Gletscher und auf dem Gipfel des Brunnenkogel steht auf über 3400 Metern Höhe ein Kran. Bizarr!

auf ausgesetzten Pfaden

Nach einer kurzen Rast geht´s abwärts zur Braunschweiger Hütte. Das erste Stück ist wie gesagt nicht fahrbar. Zu ausgesetzt und zu steil. Also Bikes wieder runter tragen. Ab einem Sattel wird der Weg besser und ist bis auf einige Passagen fahrbar. Kurz vor der Hütte muss noch ein Geröllfeld überwunden werden…auch hier heißt es Tragen.

Auffahrt zur Braunschwaiger Hütte

So, jetzt gibt´s erst mal eine Fritatensuppe. Wir müssen einigen leicht irritierten Wanderen erklären, was wir mit den Bikes hier oben wollen. Nebenbei beobachten wir zwei Lastwagen, die Material zur Baustelle auf den Pitztaler Gletscher hinauf schaffen. Aha, ein akuter Notfall, der Notabstieg wird also gebraucht um teure Helikopterflüge zu vermeiden und die Skistation oben auf dem Berg weiter aus zu bauen. Clever!

Abfahrt?

Wir lassen uns von den dröhnenden Motoren, die hier oben kilometerweit zu hören sind nicht weiter stören und beginnen mit der Abfahrt. Im Herbst 2006 war ich alleine hier. Und irgendwie habe ich alles anders in Erinnerung. Aber heute passt nix. Der E5 ins Pitztal ist eigentlich nicht fahrbar. Zu steil, zu verblockt, zu ausgesetzt. Dazu verderben uns Erosion, tiefe Rinnen und extrem hohe Absätze jeglichen Versuch, auch nur wenige Meter auf dem Bike fahrend zu absolvieren. Der untere, von wenigen Jahren gut und schön fahrbare Abschnitt fehlt komplett. Ach so, das ist wegen der Notfälle, da ist jetzt eine Straße. Klasse Sache! Wir bremsen im knöcheltiefen Staub hinunter, machen mächtig Staubwolken und verlassen den breiten Weg so schnell wie möglich wieder in Richtung Wasserfall.

Tosend und staubend tobt das Wasser zu Tal. Direkt daneben der Wanderweg. Steil, zum Teil auf schönen Slickrocks aber meist doch zu extrem zum Biken führt er hinunter zum Fuß des Wasserfalls. Wir sind schließlich froh das Gletscherstüble zu erreichen. OK, heute haben wir irgendwie daneben gegriffen. Ärgerlich zudem, dass ich schon mal hier war und irgendwie verdrängt hatte, dass dieser Weg zum Abfahren mit dem Bike eigentlich völlig untauglich ist. Sei´s drum, die Alternative von der Barunschweiger Hütte gleich zum Pitztaler Gletscher rüber zu queren und quasi den Notfall auf der neune Straße zu proben, das hätte uns auch nicht wirklich befriedigt.

Im Abendlicht machen wir uns auf dem Weg ins Taschachtal. 300 Höhenmeter könne wir bequem fahrend auf einem Almweg hinauf kurbeln. Die letzten 400 Höhenmeter bis zum Taschachhaus müssen die Bikes abermals geschultert werden. Wir gewinnen das Rennen gegen die untergehende Sonne und haben fast auf dem ganzen Weg nach oben noch warmes und schönes Licht, welches uns hinauf in die Gletscherwelt begleitet. Mit jedem Meter wird die Landschaft schöner und eindrucksvoller. Keine störenden Liftanlagen und Notfallstraßen mehr, dafür aber Natur pur.

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Fotos von Tag 2

Übernachtung: Taschachhaus

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