Wir sitzen im Gasthof Ciurnadu beim Frühstück und haben durchs Fenster einen gigantischen Blick auf die Dolomiten westlich des Abteitales. Wir versuchen alle möglichst viel vom reichhaltigen Frühstücksbuffet in uns hineinen zu stopfen, schließlich haben wir auch heute wieder großes vor. Wir werden heute versuchen alle Panoramahöhenwege der Dolomiten an einem Tag zu fahren…uns erwarten 4 Pässe und unzählige Kilometer auf schmalen Singletrails.
Noch bevor die Sonne unsre Talseite erreicht hat geht es über die Armentarawiesen in Richtung Heilig-Kreuz Hospiz. Führt der Weg zunächst noch gemütlich über Schotterwege hinauf geht es beim Abzweig zum Wanderweg 15 heftigst zur Sache. Die Steigung des Weges ist absolut absurd, so dass wir bald alle schieben müssen. Die Felsmassive der Sella und er Geisslergruppe strahlen im Morgenlicht währen wir uns schwitzend und keuchend nach oben kämpfen. Kurz vor dem Hospiz wird der Weg wieder flacher und wir können einiges fahren.
Ab hier beginnt unsere Panoramarunde. Wir werden dem Lauf der Sonne, die uns den ganzen Tag die gegenüber liegenden Berge ins rechte Licht stellen wird, folgen und in einem großen Bogen über St. Kassian, Pralongia, den Bindelweg zum Sellajoch fahren. Doch zunächst erwartet uns die kilometerlange Singletrailabfahrt nach St. Kassian. Dieser Traumtrail führt uns durch lichte Wänder und malerisch gelegene Almwiesen nicht enden wollend langsam und flowig ins Tal. Nur einige zu überwindene Viehgatter bremsen ab und zu unsren Abfahrtsrausch. Fußgänger sind zu dieser Tageszeit zum Glück noch fast gar nicht auf dem Trail anzutreffen.
In St. Kassian kaufen wir in einem Alimantari Brot, Käse und Wurst ein, die wir bei unsrer Mittagsrast oben an der Pralongia Hütte verspeisen werden. Den Schotterweg dort hinauf bringen wir rasch hinter uns. Erst kurz vor der Hütte erwartet uns ein ganz kurzes Schiebestück. Wir besetzen einige Bänke an der kleinen Kapelle oberhalb der Hütte und packen unser mitgebrachtes aus. Bei Traumwetter verspeisen wir Mortadella, Speck und Salami auf frischem Ciabata.
Steil geht es auf einem Schotterweg bis zur Rifugio Ijiza. Danach geht es nach einem kurzen Gegenanstieg auf dem flowigen und schnellen Trail Nr. 3 hinab zum Passo Campolongo. Dort zweigt schon nach wenigen Metern abermals ein Trail ab, der uns direkt nach Arraba führt. Nachdem ich hier im Jahre 2002 den fehler gemacht habe direkt zur Porta Veescovo hinauf zu fahren, wollen wir es dieses mal besser machen. An der Talstation der Seilbahn führt parallel zur Pordoi-Passtraße ein Skipiste hinauf. Diese lässt sich sehr gut und sanft steigend hinauf kurbeln. Wir stoßen dann erst bei knapp 1700 auf die Straße die wir dann nach weiteren 250 Höhenmetern wieder verlassen. Ab hier führt ein Schotterweg zurück in Richtung Osten hinauf zur Porta Vescovo. So ist es uns möglich bis auf die letzten Steilrampen fahrend nach oben zu gelangen. Der weg weist frische Erosionsschäden auf . An einigen Stellen wird gearbeitet. Gesten muss es hier also ein heftiges Unwetter gegeben haben. Die Seilbahn befindet sich dieses Jahr in Revision, was zur Folge hat das hier oben heute fast kein Mensch anzutreffen ist.
Die ersten Meter in Richtung Bindelweg sind fahrtechnisch anspruchsvoll, dann geht es immer wieder steigend und fallend am Hang entlang. Die mit einem Eispanzer bedeckte Marmolata und er blau funkelnde Lago di Fedaia in Tal machen diesen Panoramaweg zu einem landschaftlichen Highlight.
Leider kommt aufgrund der teilweise sehr steilen Gegenanstiege kein rechter Flow auf. Zum Glück haben wir den Weg heute fast für uns alleine. Ein einmaliges Erlebnis, muss man hier sonst doch immer mit wahren Hundertschaften von Wandern rechnen. Am Rifugio Viel dal Pan machen wir nochmals eine kurze Rast. Bei Apfelstrudel und Cola können wir den Einsatz eines Rettungshubschraubers in unserer Nähe beobachten. Nach dem abseilen eines Notarztes und einigen waghalsigen Flugmanövern über unsern Köpfen landet er direkt hinter der Hütte.
Wir jedoch müssen weiter. Kurz vor dem Pordoi-Pass biegen wir nach rechts ab un dwundern uns über die weißen Häufen rechts uns links des Weges: Hagel, meterhoch liegt hier der Hagel. Hier muss es gestern ganz schön heftig gewütet haben. An der Passhöhe zweigt normalerweise gleich hinter den Parkplätzen ein Wanderweg in Richtung Pecol ab. Obwohl ich den weg schon einmal gefahren bin kann ich ihn beim besten Willen nicht finden, nur ein Bach läuft dort wo der Weg eigentlich sein sollte. Wir fahren zwei Serpentinen auf der Passstraße abwärts und queren dann in den Wanderweg hinein. Wieder Wasser, OK das ist der Weg, ich hatte Ihn bloß nicht gleich als solchen erkannt. Nach eigen Metren verschwindet das Wasser in einem Graben und er Wanderweg ist wieder trocken. Über Almwiesen und Skipisten geht es hinab nach Pecol. An einem Brunnen füllen wir noch einmal unser Trinkflaschen. Danach geht es weiter auf einem heftigen S-3 Trail hinab ins Tal. Der weg hat durch das Unwetter gestern auch heftig gelitten und weist ordentlich Erosionsschäden auf. Dennoch haben wir auf der anspruchsvollen Abfahrt unsern Spaß. Der Trail endet in einem wackeligen Treppe, an der ich einige Fotos von unser Gruppe schießen kann. Wir verlassen hier nun den Trail um in Richtung Lupo Bianco zu gelangen, wo der Anstieg zum Sellajoch beginnt.
„Alpencrosser werden diese Auffahrt meiden“ stand mal in einer Tourbeschreibung. Schon nach wenigen Metern wissen wir warum. Es geht derart steil nach oben, dass unsere Beinmuskeln, die heute immerhin schon weit über 2000 Höhenmeter für Vortrieb sorgen mussten, zum Bersten angespannt werden. Der Weg Nr. 655 führt uns nun nochmals über 500m nach oben. Zunächst geht es auf Schotter aufwärts, dann auf einem erdigen Weg. Die gigantischen Felsen der Pordoi-Westwand und des Sellastockes sind in ein bizarr rotes Abendlicht getaucht. Irgendwann endet diese Schinderei an der Rifugio Valentini. Erschöpft freuen wir uns über die lang ersehnte Ruhe nach dieser Marathonetappe. Leider ist die Hütte bereits voll ausgebucht und wir müssen uns nochmals auf den Weg machen. Es folgen nun ja noch weitere Hütten auf dem Friedrich August Weg. Die ursprüngliche Hoffnung heute bis zur Plattkofelhütte zu gelangen haben wir aber längst begraben. Nebel zieht auf und taucht den Langkofel in eine gespenstische Stimmung. Auch an der Rifugio Salei ist alles voll. Ich versuche es per Handy an den nächst gelegenen Hütten, nichts alles voll. An der Rifugio des Alpes geht keiner ans Telefon. Wir befürchten bereits wieder nach Canazei abfahren zu müssen, da erklärt sich die Bedienung der Hütte bereit es auf dem Privathandy eines Mitarbeites der Rifugio Des Alpes zu versuchen. Der Versuch ist erfolgreich, oben hat´s noch Platz, viel Platz. Wir sind die einigen Gäste. Einen Haken hat di Sache jedoch: es geht nochmals 250 Höhenmeter auf einer steilen Schotterpiste nach oben. Die letzten Meter werden zur Höllentour. Nur Frank fährt bis oben. Ich kann Ihm nur noch hinauf rufen: Bikegarage klar machen und 6 Bier ordern. Kitschig bunte Fähnchen wehen am Wegesrand, am Horizont taucht der in gleißendes rot getauchte Schlernrücken kurz aus dem Nebel auf…ich zeige hinüber und sage: da fahren wir morgen drüber…
Wir sitzen wieder mal in den Bikeklamotten am Tisch. Nach jeweils zwei Bier dürfen wir den Tisch wechseln und genießen ein umfangreiches und wohlschmeckendes 3-Gängemenue. Das haben wir uns heute nach über 3000 Höhenmetern auch verdient.
Übernachtung:
Rifugio Des Alpes
+39/0462/601184
weiter zu Tag 5 Sellajoch-Reiterjoch
Etappe:
Ciurnadu (Wengen)
Antemarawiesen
Heiligkreuzhospiz
St. Kassian
Pralongia
Arabba
Porta Vescovia
Bindelweg
Pso. Pordoi
Lupo Bianco
Sellajoch
Rifugio Des Alpes
Bilder Tag 4
Höhendiagramm
Kompass Karte Nr. 59 für Tag 4