Am Passo di
Rolle treffen wir Michael und André. Sie haben in der Zwischenzeit
eine Brotzeit eingekauft und warten hier auf uns. Wir beschließen
jedoch die Straße in Richtung San Martino di Castrozza noch
ein Stück abzufahren um einen schönen Picknickplatz im Halbschatten
zu suchen.
Rolf repariert sein Rad und dann geht es abwärts. André
und Michael filmen uns während der Straßenabfahrt aus dem
Auto.
Carsten und Dave sind wie meistens vorne weg. Sie fahren mit Höchstgeschwindigkeit
um ein paar Autos zu überholen. Leider verpassen sie dabei sowohl
den ersten Picknickplatz, wie auch verschiedene Trails, die Parallel
zur Straße ins Tal gehen.
Irgendwann kommen wir dann aber doch wieder zum Stehen. Wir picknicken
an dem Weg Nr.13 der rechts von der Straße abgeht, und den wir
nach der Pause weiterfahren.
Wir müssen dann aber doch noch auf einem anderen Weg bis fast
nach San Martino di Catrozza abfahren. Der 13er ist für Biker
nicht auf der vollen Länge geeignet. Wesentlich leichter macht
man es sich den parallel zur Straße runterführenden Trail
zu nutzen. Die Wetterlage wird wieder unbeständig. Dunkle Wolken
ziehen auf und die Sonne ist verschwunden.
Die Auffahrt
zur Malga Tongnola geht gleichmäßig auf Schotter bis knapp
unter 2000 Meter über dem Meer. Auf dem Pass haben wir Nebel
und Unklarheit, ob das Wetter hält. Somit halten wir uns nicht
lange auf und fahren den Weg Nr. 352 hinab. Im oberen Teil ist der
Weg teilweise durch Wasserläufe ausgeschwemmt, matschig und von
Steinen verblockt, so dass man gezwungen ist das eine und andere Mal
abzusteigen. Bald geht es jedoch besser. Der Single wird zu einem
fahrbareren, wenn auch ruppigen Waldtrail, mit allerlei losem Geröll,
Fels und Wurzeln. Uns begegnen zwei Biker, die den Pfad heraufschieben.
Die müssen sich verfahren haben! Auf diesem Trail gibt es nur
eine Richtung - die der Schwerkraft!
Carsten:
"Das Coach ist ein einziges Drama, die Federgabel hat diese Bezeichnung
nicht verdient, alle Schläge werden ungefiltert direkt in meine
Handgelenke geleitet, die Schaltung, deren Namen man nicht mal aussprechen
kann schlägt permanent an die Kettenstrebe, die Reifen sind mit
dem felsigen Pfad völlig überfordert."
Das Wetter
hält, doch wir jagen fast ohne Stopps hinab bis Caoria. Die Landschaft
rauscht geradezu an uns vorbei.
In Caoria treffen wir das Begleitteam wieder. Auf den 300 Höhenmeter
Straße bis zum Rif. Refavaie folgen sie uns mit Auto und Kamera.
Wir machen ein Rennen daraus als uns ein Biker auf einem Mercedes-Fully
überholt. Das kann doch nicht angehen! Mit voller Kraft peitschen
wir uns die kaum befahrene Straße hinauf. Dabei bleiben wir
als Team zusammen und fahren teilweise zu viert nebeneinander. Die
Straße folgt dem Vanoi das Tal hinauf. Im oberen Abschnitt können
wir zwischen den Bäumen auf den Fluss blicken. In weniger als
einer halben Stunde sind wir am Rif. Refavaie.
Es ist 19.30 Uhr, wir haben über 70 Kilometer und 2700 Höhenmeter
hinter uns, fühlen uns trotzdem frisch und beschließen
einstimmig noch über den Passo Cinque Croci zu fahren.
Es ist klar, dass wir gleich losmüssen. In eineinhalb Stunden
wird es dunkel. Wir sagen uns 600 Höhenmeter kann man gut in
eineinhalb Stunden fahren. Also geht es los. Rolf nimmt noch schnell
seine Stirnlampe aus dem Auto.
Der Weg folgt
weiter dem Vanoi und geht zuerst beinahe eben im Tal entlang. Bei
uns kommen die ersten Zweifel auf. Wenn das weiter so geht brauchen
wir wesentlich länger. Die noch zurückzulegende Strecke
ist nicht zu unterschätzen.
Carsten:
"Völliger Irrsinn, da steht man um 20:30 Uhr vor einer Hütte,
hat 2700 hm in den Beinen, schaut den anderen Bikern auf den Teller,
wie sie die leckeren Forellen aus dem Teich direkt neben der Hütte
verspeisen...und was machen wir? Strecke...ohne zu wissen wann und
wo man übernachten kann, noch mal 900 hm den Berg hinauf in der
Gewissheit drüben bei völliger Dunkelheit wer weiß
wie lange abfahren zu müssen..."
Doch dann
steigt der Weg auf einmal an und die Serpentinen beginnen. Jetzt können
wir aus dem vollen Schöpfen und uns die Höhenmeter nur so
hinaufschrauben. Wir sind alle gleich schnell. Es gibt keine konditionellen
Differenzen an diesem Tag. Die Gruppe zieht sich nur wenig auseinander,
wenn einer einen Riegel isst oder sich umzieht. Wenige Minuten später
hat er dann wieder aufgeschlossen.
Wir merken zwar alle die Anstrengungen der letzten Tage in den Beinen,
doch wie in einem Rausch werden wir weiter getrieben. Beflügelt
von dem völlig irrwitzigen Vorhaben zu dieser Zeit noch den Pass
zu nehmen, bei Dunkelheit ins Tal zu fahren und zu so später
Stunde noch nach einer Unterkunft zu suchen fahren wir Serpentine
für Serpentine weiter aufwärts. Dave empfindet das Gemeinschaftsgefühl
bei diesem Anstieg besonders intensiv und tritt richtig euphorisch
in die Pedalen. Der Schotterweg ist gut zu fahren doch die Zeit rennt
uns davon. An Foto- und Videoaufnahmen ist momentan nicht mehr zu
denken.
Als wir die kleine Alm Val Cion erreichen steht die Sonne schon bedrohlich
tief. Es sind einige Menschen an der Alm und wir fragen sie nach den
nächsten Übernachtungsmöglichkeiten.
Rolf:
Die Familie hat ein Teleskop aufgebaut und wartet auf die Dunkelheit.
Sie laden uns zum übernachten ein, aber in der Hütte ist
nur Betonboden und zwei Feldbetten. Ohne Schlafsäcke geht hier
nichts, wir müssen weiter.
Ich nutze
die Zeit zum Filmen. Um das Gebäude herum stehen viele Pferde
und Kühe, die sich alle für mein Fahrrad interessieren zu
scheinen. Sattel und Lenkergriffe werden abgeschleckt. Nachdem ich
das Rad verteidigen konnte und auch die anderen drei soweit sind fahren
wir weiter. Es sind nur noch knapp 50 Höhenmeter. Ich rase voraus
um die Ankunft zu filmen.
Wir erreichen Cinque Croci. Der Himmel brennt und der feurige Ball
der Sonne taucht hinter dem Panorama der Bergwelt unter.
Dave:
"Das aufgestellte Metallgestell mit seinen fünf Kreuzen
wirkt ziemlich verloren auf dem breiten Wiesensattel. Was?! Dafür
sind wir hier rauf gefahren?"
Nachdem ich
die Kamera aufgebaut habe umkreisen wir sie und die Kreuze so lange
bis ich mit den Aufnahmen zufrieden bin.
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